Am Busbahnhof habe ich mir eine SIM-Karte gekauft. Dann schrieb ich meiner Couchsurfing-Gastgeberin, dass ich angekommen bin, und fragte sie nach dem Weg. Während ich auf ihre Antwort wartete, holte ich mir etwas zu essen – knusprigen, scharfen Teig, richtig lecker! Danach suchte ich mir einen Platz im Schatten und stellte mich unter ein Dach am Straßenrand. Dort saßen zwei Frauen. Das Überraschendste: Eine von ihnen hatte einen Affen an der Leine!
Ich nahm dann ein Auto und bin in die Richtung gefahren. Als das Auto falsch abbog, stieg ich aus. Ich ging den letzten Kilometer zu Fuß.
Meine Gastgeberin, B., ist eine sehr nette junge Frau – fast noch ein Mädchen. Das hatte ich vorher nicht gewusst, und irgendwie fühlt es sich ein bisschen seltsam an. Sie ist fast 20 und gerade in ihrem letzten Schuljahr.
B. und ihre Familie – sechs Kinder plus Eltern – leben am Stadtrand. Alles ist sehr einfach, aber alle sind unglaublich herzlich. Sie haben einen Brunnen, aus dem sie Wasser mit Eimern schöpfen – nicht nur für sich, sondern auch für ein paar Nachbarfamilien. Das scheint in den Außenbezirken von Bissau ganz normal zu sein. Im Stadtzentrum habe ich dagegen keine Brunnen gesehen.
Natürlich habe ich sie gefragt, ob ich die Fotos posten darf.
Als sie mit mir spazieren ging, um mir die Gegend zu zeigen, hatte ich kurz das Gefühl, dass ich genauso aussehe wie die alten Europäer in Gambia und Senegal, die sich junge Frauen suchen. Nicht gerade ein angenehmer Gedanke. 😬
Die Märkte hier sind lebendig und voll. Die Straßen sind belebt – die Hauptstraßen asphaltiert, der Rest nicht. Guinea-Bissau wirkt auf mich irgendwie noch ein bisschen „afrikanischer“. Es ist grüner, überall stehen Mangobäume oder Cashewbäume. Die Häuser sehen aus, wie man sich „typisch afrikanische“ Häuser vorstellt: freistehend, nicht in Reihen wie in anderen Städten. Sie haben große, stark geneigte Dächer, die weit über die Wände hinausragen, darunter eine Veranda, die das ganze Haus umgibt. Die Abstände zwischen den Häusern sind größer, und dazwischen gibt es offene Flächen – keine richtigen Straßen, sondern eher Felder mit Wegen und Wasserläufen. Sobald man das Zentrum verlässt, fühlt es sich an wie ein Dorf.
Auf den Straßen ist viel los, die Menschen sind draußen unterwegs, wie in St. Louis. Musik hört man überall, sogar noch mehr als in Serrekunda. Leider gibt es hier wieder viel Müll, besonders am Stadtrand – im Zentrum ist es sauberer. Insgesamt aber nicht so ordentlich wie in Serrekunda oder Ziguinchor. Auffällig ist auch, dass die Leute hier eher Flipflops als Schlappen tragen – vielleicht ein brasilianisch-portugiesischer Einfluss? 😆
Abends bin ich mit B. über die Märkte geschlendert. Danach besuchten wir die Probe einer Tanzgruppe, die traditionelle Tänze für Festivals einstudiert. Es war spannend und schön, die jungen Leute beim Training zu beobachten.
B. ist das zweitälteste von sechs Kindern. Der Vater und der älteste Bruder haben ein Handwerk, die anderen Geschwister gehen noch zur Schule. Die Mutter scheint zu Hause zu sein. Ihr Zuhause ist einfach, aber ich wurde sehr herzlich empfangen. Als wir abends zurückkamen, stand sogar Essen für mich bereit – leider hatte ich in der Stadt schon gegessen.
Ich schlief in einem Zimmer mit dem ältesten Sohn in seinem Bett, mit ihm zusammen. Das war ungewohnt, und ich konnte nicht gut schlafen. Mit Billy auf einem Bett zu schlafen, war entspannter – dort habe ich super geschlafen. Hier fühlte ich mich eingeengt, vielleicht wegen der großen Sprachbarriere. Auch der Toilettengang und alles Drumherum war etwas umständlicher, weil die Toilette draußen und sehr einfach war.
Am nächsten Morgen sollte B. zur Schule, doch sie sagte, der Unterricht sei ausgefallen, weil eine Lehrerin gestorben sei und deshalb alle Lehrer nicht zur Schule kämen. Sie hat zwölf Fächer, ihre Lieblingsfächer sind Mathe und Chemie. Früher mochte sie Englisch nicht, inzwischen mehr – wegen Couchsurfing. Allerdings spricht sie kaum Englisch, was schade ist. Sie träumt davon, in Bissau zu studieren, aber das Studium ist hier kostenpflichtig, und ihre Familie kann es sich nicht leisten. Alternativ denkt sie darüber nach, nach Portugal zu gehen, um dort zu studieren. Ich bin unsicher, ob ich sie ermutigen soll. So wie der Bildungsstand hier aussieht – soweit ich das beurteilen kann – halte ich es für schwierig. Aber natürlich kenne ich nicht alle Umstände genau.
Später ging sie mit mir in die Stadt. Einerseits praktisch, weil ich so jemanden dabei hatte, der sich auskannte, andererseits auch etwas einengend. Aber immerhin ist sie nicht so wie manche Männer, die mich einfach an der Hand nehmen und führen – sie ließ mir etwas mehr Freiraum.
Wir liefen durch die vollen Märkte, ich ließ mir den Bart rasieren und wechselte Geld bei einem Unterwäschehändler. Dann schauten wir uns eine Säule aus der Kolonialzeit an, die im Kreisverkehr der Stadt steht – und ja, sie wird hier tatsächlich „Pimmel“ genannt. Danach gingen wir noch zum Hafen.
Wir warteten lange am Hafen, um mit einem langen Boot zu einer kleinen Insel gegenüber zu fahren.
Habt ihr die unzähligen kleinen Krabben gesehen, die überall herumwuseln? Am Straßenrand kann man sie kaufen – drei Stück für 25 CFA. Leider habe ich keinen Verkäufer entdeckt und konnte sie nicht probieren.
Endlich habe ich etwas Neues probiert: diese halbgeschälten Orangen! Die harte Außenschale wird entfernt, aber die weiße Schicht bleibt dran. Dann schneidet man die Orange an, trinkt den Saft und isst das Fruchtfleisch – die festen inneren Schalen lässt man einfach übrig.
Mir ging es um die Erfahrung des Bootfahrens (mit Hühnern und Schweine☺️). Das war schön.
Vielleicht gibt es auf der Insel ein Café, in dem man sich hinsetzen kann, dachte ich. B. möchte mit mir nach Stipendien auf verschiedenen Webseiten suchen.
Aber nein – keine Cafés. Die Insel ist sehr ländlich. Es gibt nur ein paar Hütten, viele Tiere und vor allem unglaublich freundliche Menschen. Zwei Kinder begleiteten uns die ganze Zeit und brachten uns Baobab-Früchte. Wir saßen lange am Strand und schauten in die Weite.
Hier ein paar Eindrücke von der Insel.
Auf der Insel sind viele Fledermäuse. Riesengroß und in Scharen. Eher Flederratten. Auch auf der Insel ist eine Kirchenruine. Sehr traurig und gleichzeitig interessant.
In der Ruine einer Kirche habe ich eine Ziege entdeckt. Dabei fiel mir auf, dass es in Bissau generell weniger Schafe und Ziegen gibt als anderswo. Dafür sieht man hier öfter Schweine – vielleicht, weil der Anteil an Muslimen in Bissau geringer ist als in den Nachbarländern.
Ich kann B. nicht helfen, ein besseres Leben zu finden. Ich kann nicht einmal den Kindern meiner Cousinen in Syrien helfen. Und hier, mit einer völlig fremden Sprache und einem niedrigen Bildungsstandard, sehe ich die Chancen noch schlechter. Es tut mir leid. Sie steckt in dieser Situation fest. Ich kann gut verstehen, dass für Menschen wie sie, die Ambitionen haben, oft nur ein Weg bleibt: nach Europa geschmuggelt zu werden. Ob sie dort glücklicher wäre, weiß ich nicht. Das Leben in Europa ist einfach ein völlig anderes.
Zum Abschluss des Tages machte ich noch einen Spaziergang durch das Hafenviertel, vorbei an den alten Kolonialbauten – und dann gab es ein wohlverdientes Bier. Das tat gut.
Später saßen wir in einem teuren Hotel, weil das Internet dort besser war. B. wollte auf einer Facebook-Seite ein Formular ausfüllen und hoffte auf meine Hilfe. Aber alles war auf Portugiesisch, und ich kannte das System nicht. Es tat mir im Herzen weh, dass ich nichts für sie tun konnte.
Dann nahmen wir ein Taxi nach Hause – zumindest so weit, wie es fahren konnte. Die letzten 500 Meter mussten wir zu Fuß über unwegsames Gelände gehen. 😂
Zuhause habe ich erstmal geduscht und dann meine Wäsche gewaschen. Wahrscheinlich nicht zum letzten Mal. Danach saß ich kurz, bis B. mit Essen für uns beide kam: Reis mit Fleischbällchen und Soße. Sehr lecker!
Später saßen wir einfach nur da. Im Haus gab es keinen Strom mehr, aber draußen leuchteten noch ein paar Straßenlaternen. Dann fiel auch die letzte Beleuchtung aus, und wir saßen im Mondschein und blickten in die Dunkelheit. Ein richtig schönes Gefühl.
A., der kleine Bruder von B., saß mit uns im Dunkeln und rezitierte laut aus dem Koran, den er auswendig kannte. Als er eine Sure las, die ich auch kannte, stimmte ich mit ein – und alle waren ganz überrascht. Dann forderte ich ihn auf, den Koran zu holen. Wir wechselten uns ab: Er las eine Sure, ich die nächste. Er führte seinen Finger über den Text, doch es war offensichtlich, dass er ihn nicht wirklich brauchte – er kannte alles auswendig.
Danach übten wir das arabische Schreiben. In der Schule lernen sie wohl Arabisch und die Buchstaben, aber offenbar von jemandem, der selbst kein Araber ist. 😬😅 Ich zeigte ihm, wie er seinen Namen richtig schreibt, und dann schrieben wir die Namen aller Kinder – und auch meinen.
Der Vater rief aus der Ferne und fragte, woher ich komme. „Aus Syrien.“ – „Dann ist ja alles klar.“ Ich hatte das Gefühl, dass mir das ein paar Pluspunkte in der Familie einbrachte. Sie sind gläubige Muslime, aber ihr Islam ist – wie ich es in Afrika oft erlebt habe – eine milde, entspannte Form. Sie übertreiben es nicht.
Dann flackerte der Strom: an, aus, an, aus – und so ging es weiter. Irgendwann ging ich ins Bett und nahm vorsichtshalber eine Schlaftablette. Ich wollte kein Risiko eingehen, denn am nächsten Tag stand eine lange Fahrt nach Gabu an.
Neuer Tag, neues Glück.
Während die Kinder zur Schule gingen und die Schwester draußen den Abwasch vom Vortag erledigte (kein Spülbecken, keine Spülmaschine – nur ein Hof und ein paar Eimer), erklärte ich B., wie man Pudding macht. Ich gab ihr gleich mehrere Versionen, schrieb es auf und las es ihr vor. Hoffentlich klappt es! Die Puddingpulverpackungen, die ich mitgebracht habe, sind nun in Bissau.
Deine Reisebericht, Rami, sind echt ein Highlight dieser Tage! Soooo schön! Ein Hoch auf dein Sabbatical! 😊
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