Westafrika 15 Pita, Mistaba und die Wasserfälle

Ich nahm ein Mototaxi zum Gare de l’voiture. Dort ein Kaffee.

Dann ein Auto nach Pita. Eine Stunde. Das sitze ich doch auf einer Arschbacke ab (ernst gemeint).

Die in Airbnb angegebene Position war falsch. Umso zuvorkommender der Eigentümer. Ich wurde abgeholt.

Die unterkunft sah in Airbnb schlecht aus. Ich dachte aber, in Labé möchte ich nicht bleiben. Im schlimmsten Fall fahre ich weiter oder doch zurück zur isolierten Insel der Europäer in Labé.

Ich wurde aber positiv überrascht. Die Unterkunft ist mehr als passabel. Sehr gut ausgestattet. Eine Waschmaschine! Sehr freundliche Leute. Und mit einem schönen Ausblick.


Mistaba, der Bruder der Eigentümer, ist Lehrer. Doch heute, Sonntag, hat er frei. Er bot mir an, mich mit seinem Motorrad zu den Wasserfällen in Kinkon zu nehmen. Ich sagte zu. Die Fahrt war nicht lange. Auf dem Motorrad fühlte ich mich halbwegs sicher, weil er vorsichtig fuhr.

Es ist die Trockenzeit und es gab nicht viel Wasser in den Wasserfällen. Die waren aber trotzdem wunderschön. Ich kletterte sogar in das Flussbett rein und hüpfte von einem Felsen zum anderen. Ich hielt mich zurück und habe keine gewagten Sprünge gemacht. Ein gebrochenes Bein wäre das letzte, was ich hier gebrauchen kann. Scheißvernünft. Die nimmt einem den Spaß weg.

Danach schlug Mistaba vor, dass wir seine Familie besuchen. Wir waren kurz bei ihm zu Hause und ich habe seine Frau kennengelernt. Dann waren wir zusammen in seinem Stammcafé und tranken einen Kaffee. Danach machten wir aus, dass wir uns im Café erneut um 19:00 Uhr treffen. So war es.

Während unseres Ausfluges habe ich es ein bisschen bereut, mit ihm gefahren zu sein. Er wollte, dass wir ein Foto machen und dann fertig. Dass ich mir Zeit nehme, um dort zu verweilen oder zu wandern, war nicht drin. Ich fand das einengend.

Doch der gemeinsame Abend mit Mistaba hat das voll und ganz entschädigt. Mistaba hat in den Achtzigern in Sophia, Bulgarien, studiert. Er hat mir viel erzählt, über die Kultur Guinea, die Sprachen und wie er die Welt sieht. Leider war die Sprachbarriere da. Mein Französisch reicht bei weitem nicht für eine richtige Diskussion aus. Im Café habe ich einen Ingenieur kennen gelernt, der von der deutschen Ingenieurskunst begeistert ist. Er installiert Solaranlagen.

Mistaba singt. Er hat mir erzählt, dass er mit vielen Bands und sogar mit einem Orchester und in einer Oper gesungen hat und hat auch Lieder komponiert. Ich zeigte ihm Fotos von meiner Familie und er revanchierte sich mit Fotos über seine Zeit in Sophia und von seiner Familie. Er habe sogar ein Buch geschrieben über sein Leben und wie er zur Musik kam und was er da alles machte. Das Buch ist zwar fertig geschrieben aber noch nicht gedruckt. Ich fand es so schön, wie sehr es im Buch ihm wichtig ist, dass er Musik macht. Dabei hat er Finanzen studiert 😀

Apropos Finanzen, ich habe wieder Geld gewechselt und bin erneut ein Millionär:

Er bot mir dann an, dass er mich morgen früh kurz mit zu seiner Schule nimmt und mir diese zeigt. Das ist genial. Durch Mistaba werde ich mehr als erhofft vom Innenleben Guinea sehen. Ich bin ihm so dankbar.

Am nächsten Morgen saß ich auf dem Balkon und genoss die kühle Brise und die Aussicht in die Weite. Und einen Kaffee!

Hab ich erzählt, dass es bisher praktisch keine Mücken gibt? Grundsätzlich wenig Insekten. Womöglich wegen der Trockenzeit. Das ganze Zeug, das ich aus Deutschland mitgeschleppt habe, ist nutzlos.

Doch dafür gibt es gerade unter meinem Bett eine Eidechse/Gecko, an der Decke eine verrückte Fliege und im Wohnzimmer eine Grille, die so laut ist, dass ich mir überlege, ob ich sie lieber erschlagen soll 😄

Die besondere Behandlung, die ich genoss, ist größtenteils auf die Freundlichkeit und Neugierde beziehungsweise Interessiertheit von Mistaba zurückzuführen. Doch auch deswegen, weil hier kaum Weiße gibt. In Labé sah ich einen Australier und einen Franzosen in der geschützten Oase. Auf der Straße sah ich keinen einzigen Europäer. Das war ähnlich in allen bisherigen Städten bis auf St. Louis und Serrekunda. Hier in Pita bin ich vielleicht der einzige Weiße überhaupt 🙃. Mistaba hat mich vielen Leuten vorgestellt, und dass ich ein Besuch aus Deutschland sei. Ich bin quasi ein bisschen exotisch. Bei den Wasserfällen gab es nur eine kleine Gruppe von drei jungen Menschen, zwei Männer und eine Frau. Sie wollten nicht mit den Wasserfällen Fotos machen, sondern mit mir. Ich bin also auch eine Sehenswürdigkeit 😅.

Hier, in den hohen Teilen Guinea spricht man Pular. Die Kinder auf der Straße rufen mich „Porto“. Das ist das Äquivalent zu Toubab auf Wolof (Senegal und Gambia) und Branko auf Kryol (Guinea Bissau). Wenn ich an die Küste fahre (Conakry), ändert sich die Sprache. Dort sprechen die Leute Süssü. Dort bekomme ich also einen neuen Namen: Fouteh.

Alle Erwachsene und alle Kinder sind super nett. Was ich gelesen habe, dass manche Leute lästig sind, stimmt seltenst (gare de l‘voiture in Gabu war eine Ausnahme). Auch wenn es ums Geld geht. Bei manchen Dingen muss man aufpassen: Taxifahrer und ähnliche Transportangebote (manchmal Touristenführer genannt, sind es aber nicht). Auch beim Essen und Trinken wurde ich bisher nicht über den Tisch gezogen. Ich bekam fast immer die richtigen Preise genannt. Ich bereue es jetzt, dass ich am Anfang ein bisschen paranoid war. Andererseits denke ich, es ist normal, dass man am Anfang vorsichtig ist. Klar, wenn man das Geld zeigt und niemals nachfragt, dann zahlt man mehr. Etwas verhandeln ist immer wieder geboten und gehört zur Kultur.

Mistaba holte mich um 8:30 Uhr ab. Als wir in der Schule waren, verstand ich, wieso er zeitlich so flexibel war. Er ist kein Lehrer. Ihm gehört die Schule. Beziehungsweise die Schule gehört seiner Familie, denn seine kleine Schwester gründete sie. Er zeigte mir alle Klassenzimmer, von der Vorschule bis zur sechsten Klasse. In der sechsten Klasse, ganz lustig, wie in Deutschland, sind die Mädchen einen Kopf größer als die Jungs. Es gab auch eine kleine Baustelle auf dem Schulgelände. Sie planen die Klassen 7-12. Alles sah sehr ordentlich aus. Die Lehrer sehr freundlich. Die Schüler saßen hinter ihren Bänken und haben mich jedes Mal freundlichst gegrüßt.

Das ist eine private Schule. Die öffentlichen Schulen sollen nicht so gut sein. Ein Grundschullehrer in einer öffentlichen Schule verdient circa 3 Millionen geneische Franken. Das Geld sei ausreichend zum Leben, zumal man hier praktisch nie zur Miete wohnt. Ich fragte auch Leute im Café, wie sie die Position von Guinea schätzen, im Vergleich zu den umgebenden Ländern. Sie meinten, Guinea geht es am besten. Senegal und Elfenbeinküste geht es auch gut. Allerdings meinten sie sehr deutlich, dass es The Gambia nicht so gut geht wie Guinea. Als ich allerdings in The Gambia war, hatte ich ein anderes Gefühl. Ich glaube, es liegt sehr daran, dass in Gambia so viel Auslandhilfe gibt. Ich las so oft darüber, dass diese Entwicklungshilfe häufig kontraproduktiv ist. J, in The Gambia, erzählte mir zum Beispiel, dass sie in The Gambia praktisch rein gar nichts produzieren. Heute kam das jährliche Bericht von Transparency International über Korruption in der Welt. Guinea schneidet ganz gut ab, viel besser als viele europäische Ländern. D.h., obwohl seit drei Jahren nach einem Putsch die Militär regiert, das Land geht aufwärts. Das wäre ja top.

Dann nahm Mistaba mich zu einer Felsenformation mitten in der Stadt. Die Stelle sei von Touristen beliebt und manche zelten sogar dort. Ein Felsen sieht aus wie eine Frau mit Kind am Rücken und einer Platte auf dem Kopf. Ein übliches Bild auf der Straße.

Übrigens, ich sah viele Frauen mit Kindern auf dem Rücken und auch überhaupt viele Kinder. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass ich eine schwangere Frau sah. Entweder sind die Schwangerschaften sehr diskret oder die Frauen gehen nicht raus, wenn man das sehen würde.

Dann erneut Kaffeetrinken im Stammcafé. An der Tafel ist das letzte Tombola Spiel.

Dann nahm mich Mistaba zu seiner Freundin. Sie wohnt allein. Ihre beiden Kinder sind in Deutschland und in Frankreich. Sie bestand darauf, dass ich mit ihrem Sohn in Stuttgart telefoniere. Dann lud Mistaba mich zum Abendessen bei ihr ein.

Dann nahm mich Mistaba zum Markt und zeigte mir zwei Geschäfte mit Handwerk. Ledertaschen und Lederlatschen im ersten Laden. Stoffe im anderen Laden. Vielleicht kaufe ich da eine Kleinigkeit für die Kinder.

Dann endlich dürfte ich mein Programm starten. Nach natürlich noch einem Kaffee. Ich nahm ein Mototaxi zu einem 7 km entfernten Dorf und von dort aus ging ich zu weiteren Wasserfällen, Sere Djournde, die schön aussehen sollten.

Kaum Wasser. Es war dennoch eine sehr schöne Wanderung. Ich werde gleich jede Menge Fotos posten. Ich konnte lange Strecken im Flussbett gehen. Wenn aber eine Senke mit Wasser gab, bin ich ausgewichen und neben dem Fluss gegangen. Das war qualvoll. Meine Beine sind völlig zerkratzt und es war super anstrengend. Nach 3 oder 4 Stunden entschiede ich mich, den Fluss zu verlassen und Richtung des nächsten Dorfes zu gehen.

Bis dahin habe ich nur eine Person getroffen. Ein Jäger mit zwei Hunden. Als er sah, dass ich auf ihn zukomme, legte er seine Machete und sein Gewehr auf dem Boden hin und richtete sich auf und schaute zu mir. Ich fand das eine so nette und bedeutende Geste! Er wollte mir jede Angst nehmen, indem er sich entwaffnet hat.Typisch afrikanisch.

Nach 3 km Feldweg gab es einen kleinen Schuppen, wo ich Wasser gekauft habe. Als ich weitergehen wollte, hielt ein Mann mit einem Kind auf einem Motorrad an und fragte, ob ich in die Stadt möchte. Ich sagte ja und stieg drauf. Das war echt ein Stück Glück. Ich dachte nämlich, ich treffe bald auf irgendein Dorf. Wir führen bestimmt 8 km und es gab nichts. Ich hätte die ganze Strecke allein in der Hitze zu Fuß machen müssen.

Es war eine richtige Rally-Fahrt. Am Ende bekam ich einen Krampf im Bein, weil ich so verspannt saß.

In der Stadt gönnte ich mir ein fettes, dickes Sandwich. Ich kaufte Waschpulver für die Waschmaschine und ging nach Hause. Schon um 18:30 Uhr rief Mistaba an und sagte, er ist gleich bei mir zum abholen. Die Leute im Café fragten nämlich nach mir. Dorthin gefahren, Kaffee getrunken, dann in ein anderes Café gegangen und dort einen Tee getrunken, dann zu ihm nach Hause, wo er mir sein Buch ausführlich gezeigt hat. Seine Musik konnte ich nicht hören, weil die Musikanlage defekt ist. Dann waren wir in einem Restaurant essen.

So sieht ein Restaurant aus (im beigen Eimer ist eine Tonne Kouskous):

Ich fragte nicht nach der Einladung bei seiner Freundin. Vielleicht hab ich es ja mal wieder falsch verstanden.

Zu Hause stellte sich heraus, dass das Gecko die Grille ins Zimmer zu mir eingeladen hat. Nun habe ich in meinem Zimmer zwei Mitbewohner. Das Gecko / die Eidechse ist nicht so ein Problem. Es ist klein. Wenn ich im Bett liege geht’s ins Bad. Gehe ich zum pinkeln, rennt es unters Bett. Das ist okay, ich halt sowas aus. Doch die Scheiß-Grille

Ihr lacht!?

Grillen, sowie die aussehen und weil sie doch fliegen können, reihen sich für mich zu den Kakerlaken und den großen, dunklen Käfern. Es ist bei mir fast eine Phobie. Auch als ich mir selbst überzeugte, die Grille würde niemals auf mir krabbeln, war es nicht möglich zu schlafen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie laut sie war. Es hallte im Zimmer. Jedes Mal, wenn ich aufgestanden bin, um sie zu suchen, hörte sie auf. Ich legte mich hin, 5 Minuten später fing sie an. Ich nahm eine Schlaftablette mit der Hoffnung, ich kann ihr Zirpen überhören. Keine Chance. D.h. ich war müde, aufgeregt phobisch und richtig ärgerlich. Außerdem ist so ein Zirpen schwer zu orten. Ich dachte lange, sie ist in der runtergehängten Decke und somit für mich nicht erreichbar. Mein Plan, etwas früher ins Bett, wurde von dieser Grille torpediert. Gegen 1:30 Uhr habe ich mich entschieden, den Kampf ernster aufzunehmen. Ich hab das Licht angemacht und hab so lange gesucht, bis ich diese Scheiß-Grille zwischen meinen Sachen auf dem Boden fand. Zum Glück hatte ich noch eine Kaffeetasse im Zimmer. Zum Glück konnte ich vom ersten Versuch sie schnappen. So ein Vieh. Sieg.

Um 9:30 Uhr nahm ich an Mototaxi zu den Kambadaga Wasserfällen. Vorher habe ich mit dem Fahrer den Preis ausgemacht. 50.000 guineische Franken. Die Fahrt dauerte ein kleines bisschen mehr als 1 Stunde. Auf dem Weg dachte ich, ich gebe ihm doch 60. Dort angekommen hatte ich zum ersten Mal die Erfahrung, dass jemand sein Wort nicht hält. Bei 60.000 wollte er mehr. Ich wollte keinen Streit. Ich gab ihm noch 20. Er wollte mehr. Ich gab ihm noch 20. Er wollte mehr. Dann habe ich es nicht verstanden. Das ist mittlerweile doppelt wie die Vereinbarung. Ich habe es im Kopf schnell gerechnet. Benzinverbrauch. Tagessatz, auch im Vergleich zu einer Grundschullehrerin. Die Abmachung. Er konnte, glaube ich, nicht mal französisch, so dass ich überhaupt nicht verstanden habe, wie viel er möchte. Irgendwann war ich sauer. Ich ließ ihn mit den 100.000 stehen und ging. Manchmal bin ich albern. Sowas regt mich nachhaltig auf. Ich bin froh, dass ich ihm 100.000 gegeben habe. Bei weniger hätte ich womöglich ein schlechtes Gewissen, dass ich seine schlechte Einschätzung / Dummheit ausgenutzt hätte. Bei mehr hätte ich mich geärgert, weil es dann wirklich Verarschen wäre. Naja. Dafür haben diese Wasserfälle von Kambadaga alles entschädigt. Das ist mein dritter Ausflug in dieser bergischen Gegend und es sind die schönsten Aussichten. Ich bin begeistert von diesen Wasserfällen. Hier sind jede Menge Fotos.

Ich bin dann zurück gelaufen. Nach circa 5 km war ich an der Stelle, an der ich Eintrittsgeld bezahlte (ich bekam zwar ein Ticket, doch daran glaube ich nicht wirklich 😝). Der Mann, der das Geld mir am Anfang abnahm, war sehr verwundert, dass ich nun ohne Mototaxi unterwegs bin. Er lud mich zu einem Kaffee und zu einem Tee ein Und wollte dann auch kein Geld dafür haben, obwohl es bei ihm ein bisschen wie ein Café aussah. Nach weiteren 5 km hielte ein Mann an und fragte mich, ob ich zur Hauptstraße möchte. Ich bejahte es und stieg aufs Motorrad. 7 km später stieg ich ab und machte mich auf dem Weg nach Hause. 500 m später hielte noch ein Mann an und fragte mich, ob ich in die Stadt möchte. Ich bejahte es und stieg drauf. 7 km später stieg ich vor meinem Airbnb ab. Es kann auch so angenehm sein 😀.

Duschen. Körperpflege. Fußpflege.

Hunger!

Ab in die Stadt. Kaffee. Essen. Mistaba.

Tschüss Pita!

Kommentare

  1. Wow, danke das du uns auf diese Weise mit auf deine Reise nimmst. Ich lese ganz gespannt deine Erlebnisse und fiebere mit dir mit. Es ist wirklich beeindruckend, bis auf die Spinnenbilder 😀. Ich wünsche dir weiterhin viele spannende Momente, gutes Bier und Gesundheit.

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    1. Danke! So schön das Alleinsein ist, so schön ist es, teilen zu dürfen. Ich bin also auch ein Gewinner.

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